Das ist Praxis bei den Filterqualitäten
Vom hygienischen Standpunkt aus betrachtet ist das Filter das „Herz“ einer raumlufttechnischen Anlage. Qualität, Einbau, Standzeit nehmen massiv Einfluss auf die Qualität der Zuluft und wirken im besonderen Maße auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der damit versorgten Menschen ein und somit auf die Qualität der Arbeitsleistung. So gesehen haben Filter auch einen hohen Stellenwert bei der Gewinnoptimierung eines Unternehmens. Begreift man diesen Stellenwert, ändert sich gänzlich die Einstellung beim Kauf des „Herzschrittmachers“ für die RLT-Anlage.
Fassen wir vorab die richtige Vorgangsweise bei der Wahl eines Filters und untersuchen wir in der Folge die Tricks, die angewandt werden, um billige Qualität als gute auszugeben, oder wie Betrug erfolgen kann (Beispiele aus der Praxis).
Teil 1: Vorgangsweise bei der Wahl des Filters
- Man prüft den Lieferanten – technische Kompetenz, Lieferverfügbarkeit.
- Man berät sich mit dem Lieferanten, welches Filter für den spezifischen Einsatz erforderlich ist unter Berücksichtigung der geltenden Normen (z.B. EN 13779), dazu gehören auch energetische Berechnungen hinsichtlich Energieeffizienz.
- Man fordert das Prüfzertifikat an vom Filter nach der EN 779:2012.
Die Anforderungen für das Prüfverfahren sind in der EN 779:2012 definiert.
Die EN 779 verlangt seit der Ausgabe 2012 einen Mindestwirkungsgrad von 35%, der auch im entladenen Zustand während der gesamten Lebensdauer erreicht werden muss. - Man verlangt die Energieklassifizierung nach Eurovent RS 4/C001-2016. Eurovent verlang akkreditierte Prüfinstitute nach DIN EN ISO/IEC 17025 – die „Norm für die Akkreditierung als Prüflaboratorium.“
- Man fordert das Unbedenklichkeitszertifikat für das Filtermedium an.
- Man fordert ein Prüfzertifikat (z.B. vom TÜV) an, das belegt, dass alle Filter mit demselben Material hergestellt werden auf die sich die Prüfzeugnisse beziehen.
- Angaben, die im Angebot verpflichtend anzuführen sind damit eine Vergleichbarkeit gewährleistet wird:
a. Artikelnummer
b. Typenbezeichnung
c. Art des Filtermediums
d. Anzahl der Taschen
e. Länge der Taschen
f. Filterfläche
g. Druckverlust in PA bei 3.400 m³/h - Bemusterung verlangen
a. optische Betrachtung der Musterfilter,
b. Verarbeitung, Vernähung und Verklebung der Filtertaschen prüfen,
c. Filterqualität muss auf das Filtermaterial der Taschen aufgedruckt sein,
d. Stabilität vom Rahmen beachten,
e. ist eine Kennzeichnung am Filterrahmen angebracht mit Artikelnummer, Modell, und z.B. die TÜV Etikette,
f. Muster wird behalten und dient als Referenz für die Überprüfung der Lieferungen.
Bei Bestellung - verbindlich die Norm EN 779 in aktueller Version mit aufnehmen, damit diese rechtswirksam wird.
- ankündigen, dass Druckverluste Stichprobenartig überprüft werden.
Bei Lieferung - Überprüfen, ob die Lieferung vollzählig und unbeschädigt vorhanden ist (Stichproben).
- Prüfung der gelieferten Qualität – Übereinstimmung mit der bestellten
a. Filtermedium (mittels Artikelnummer),
b. Filterklasse,
c. Anzahl der Filtertaschen,
d. Länge der Filtertaschen.
Bei und nach Montage - Stabilität vom Rahmen prüfen.
- Vergleichen mit der Referenznummer vom Musterfilter.
- Aufzeichnungen führen über Betriebsstunden, damit eine allfällige Verschlechterung der
- Lebensdauer erkannt werden kann – wenn die Qualität der Filtermedien (vom Hersteller ohne Meldung) reduziert wird, hat dies zur Folge, dass die Betriebsstunden reduziert werden und dadurch die LCC Kosten (Energie und Montage) erhöht werden.
Allein das Erfordernis aller dieser Maßnahmen kann bereits als Hinweis für die am Markt vorkommenden Manipulationen. Man stelle sich automatisch die Frage: Warum brauch ich alle diese Kontrollmechanismen und Vorsichtsmaßnahmen?
Teil 2: Schummeleien
An welchen der oben genannten Punkte wird geschummelt bzw. betrogen:
1. Prüfzertifikate
Die Erstellung eines Prüfzertifikats gemäß EN 799:2012 von einer unabhängigen Prüfanstalt ist mit nicht unwesentlichen Kosten verbunden. Das ist jedoch nicht der einzige Grund für das Fehlen eines solchen Zertifikats. Ein weiterer Grund ist einfach, dass das geprüfte Filter von vornhinein die Kriterien nicht erfüllen kann. Daher wählt man eine Prüfanstalt, die gemäß Kundenwunsch prüft.
Beispiel: Bei einem Zertifikat fehlte die Angabe für die Filterwirksamkeit im entladenen Zustand. In einem Gespräch mit der Prüfanstalt wurde auf die Frage, warum dieser Wert fehlt, geantwortet: „Der Kunde (Filterhersteller) hat dies nicht verlangt.“ Und nach einer Pause: „Sie können sich denken warum.“
Was bedeutet der Wert „im entladenen Zustand“ (Discharged efficiency)?
In der VDI 6022 Bl1 Punkt 4.3.9.2 steht die Forderung „Während der gesamten Standzeit sollen Filter die der Filterklasse entsprechende Abscheideleistung erbringen.“
Wo findet man den Wert im geladenen und entladenen Zustand in einem Prüfzertifikat?
In der ÖNORM H 6020 Punkt 6.6.4 wird diese Forderung konkretisiert:
„Filter sind gemäß ÖNORM EN 779 und ÖNORM EN 1822-1 auszuführen. Die Filterqualität darf nicht auf Grund von vorübergehend wirksamen Effekten (z. B. durch elektrostatische Aufladungen) erreicht werden.“
Methoden zur vorübergehenden Steigerung der Filterwirkung (discharging effect).
Zur temporären Steigerung der Filterwirkung werden synthetische Filter vom Vliesstoffhersteller statisch aufgeladen. Ein Spannungsfeld, durch das die Filter gezogen werden, bewirkt diese Ladung.
Auf diese Weise kann man einen höheren Wirkungsgrad simulieren, der zu Beginn der Filtereinsatzdauer auch gegeben ist.
Mit diesem simulierten Ergebnis „belegt“ man, dass die Qualitätskriterien der Normen erfüllt sind, wobei zunächst der Wert im entladenen Zustand nicht angegeben wird.
Es gibt allerdings auch hochwertige Aufladungs-Verfahren, die gewährleisten, dass der von der EN 779:2012 geforderte Mindestwirkungsgrad von 35% über die gesamte erhalten bleibt (im Diagramm Filter 1). Allerdings ist die Preisdifferenz zu z.B. hochwertige Glasfaserfilter gering. Diagramm 1 zeigt ein Vergleich vom Wirkungsgradverlust verschiedenen Filter.
Als Folge dieser Praktiken wurden die Prüfkriterien in der EN 779:2012 verschärft und „gleichmäßige Abscheideleistung während der gesamten Standzeit“ gefordert.
Ein Prüfzertifikat nach EN 779:2012 fordert die Prüfung vom Abscheidegrad im geladenen und
entladenen Zustand.
Schummeleien bei der Beauftragung der Prüfung:
Feld 1: Es wird eine Analyse nach EN 779:2002 beauftragt, darin wird die Angabe im Feld 8 nicht gefordert oder es wird generell die Jahreszahl weggelassen.
Feld 5: Es werden z.B. Filterelemente mit 12 Taschen zur Prüfung vorgelegt, angeboten oder geliefert werden jedoch solche mit 6 oder 8 Taschen.
Feld 8: Wird nicht beauftragt.
Ein anderer Trick ist:
Man legt das einwandfreie Prüfzertifikat vom Hersteller des Grundmaterials vor und behauptet aus diesem Material werden die Filter gefertigt. Es gibt keinen Beweis, dass dies den Tatsachen entspricht, deswegen die Forderung der Prüfung vom jedem Filtermodell (Feld 6) und auch die Etikette vom TÜV, dass das gelieferte Filter tatsächlich den Angaben im Zertifikat entspricht.
Wie wirkt sich so eine Schummelei in der Praxis aus?
Abb. 1 zeigt ein neues Glasfaserfilter, dass bereits nach kurzer Zeit eine Medienerosion aufweist. An der Farbe erkennt man, dass sich noch keine Schmutzpartikel abgelagert haben. Die Fasern vom Material beginnen sich abzulösen und verringern den Luftdurchsatz. Die Druckdifferenz steigt an und ein Filterwechsel muss viel früher erfolgen. Argument: „Die Filter sind so gut, deswegen muss öfters getauscht werden.“
Relevanz für die Praxis vom Feld 7 „Anfangsdruckverlust“
Fall aus der Praxis: Folgende Filter werden angeboten.
Der Kaufmann sieht: „Doppelt so teuer, beide sind Qualität F7. Der normenmäßig verlangte Mindestwirkungsgrad von 35% ist gegeben. Gekauft wird der billigere.“
Gemäß mehreren unabhängigen Berechnungen werden die Kosten für den Anfangsdruckverlust wie folgt gerechnet: 1 Pa Anfangsdruckverlust kostet bei 6.000 Betriebsstunden pro Jahr 1,50 Euro. Bei einer Differenz von 47 Pa (122 – 75 = 47) bedeutet das 47 x 1,50 = 70,50 Mehrkosten pro Filter.
Die obige Rechnung lautet dann folgendermaßen:
Hinzu kommt die stärkere Verunreinigung der Anlage durch den niedrigeren Wirkungsgrad, d.h.
Register verunreinigen, der Luftdurchsatz wird verringert, Reinigungskosten fallen an.
Schummeleien in der Vorlage der Zertifikate
Dem Erfindungsreichtum der Tricks, mit denen man einerseits die Prüfungen zu umgehen trachtet (weil die entsprechenden Werte nicht erfüllt werden können) ist breit gefächert. Von Prospekte, die zertifikatähnlich gestaltet sind, bis zu Selbstprüfzertifikate mit dem Vermerk „Darf an Dritte nicht weitergegeben werden“.
2. Schummeleien bei den Lieferungen
Besteller, Warenempfänger und Monteur sind selten ein und dieselbe Person. In der Folge einige Tricks, die diese Situation ausnützen:
Es werden die bestellten Filter geliefert, jedoch …
2.1. … mit einer geringeren Anzahl an Taschen (z. B. 6 Taschen statt 8).
2.2. … mit unstabilen, preisgünstigen Kunststoffrahmen, statt stabilen Metallrahmen.
2.3. … mit einer anderen Medienqualität. Der Empfänger müsste mit Messgeräten den Wareneingang kontrollieren, was in der Praxis unmöglich ist.
3. Ein Extrembeispiel aus der Praxis
Veranschaulichen wir einige der Denkfehler durch ein Extrembeispiel, das zwar selten in dieser Form anzutreffen ist, aber so viele Komponenten für ein fehlerhaftes Verhalten zusammenfasst. Von der Unternehmensführung, über die Verantwortlichen für die technische Beratung, die kaufmännische Abteilung bis hin zum Wartungspersonal.
Hoher Produktionsausschuss in einem Unternehmen, verbunden finanziellen Einbußen. Ein Produktionsunternehmen meldet erhöhte Ausschussquote. Eine Hygieneüberprüfung findet statt und ergibt folgende Situation:
Denkfehler in der Unternehmungsleitung und kaufmännische Abteilung:
3.1.Der Wartungstechniker wird ständig kritisiert, dass zu viele Filter zu oft gebraucht werden.
3.2.Er wird zum Sparen gezwungen.
3.3.Der Techniker lässt die Filter so lange in der Anlage, bis sie selbst mit Schimmel befallen sind und fast kein Luftdurchsatz mehr möglich ist (Abb. 2).
3.4.Daraufhin bekommt er Klagen von der Belegschaft, dass zu wenig Luft vorhanden ist und diese darüber hinaus übel riecht.
3.5.Um den Klagen zu entsprechen werden Filtereinsätze entfernt (Abb. 3).
Jetzt sind alle zufriedengestellt: Geschäftsleitung, kaufmännische Abteilung und Belegschaft und eine „Zeitbombe“ beginnt zu ticken.
Abgesehen davon, dass die Filter falsch eingebaut sind (waagrecht, statt senkrecht), war die Wirkung einfach verheerend. Die Filter waren zu einer starken Kontaminationsquelle geworden und verseuchten Anlage (Abb. 4 und 5) und die Räumlichkeiten (>2000 KBE/m³; Außenluftbelastung; 320 KBE/m³ Luft).
Bedenkt man, welche Räumlichkeiten (Abb.6) mit dieser RLTAnlage versorgt wurden, dann wird das Unverständnis der Geschäftsleitung und des Technikers offensichtlich.
4. Was kann getan werden?
Die Punkte von Teil 1 beachten: „Vorgangsweise bei der Wahl des Filters“ Punkte 1 bis 15.
Hinweis: Der Artikel bezieht sich mit Verweis auf die EN 779:2012 als Regel der Technik auf Stand 2016. Diese wurde Januar 2017 von der neuen Prüfnorm ISO 16890 ersetzt, welche ab etwa Mitte 2018 alleingültig sein wird. Die Kernaussagen des Artikels bleiben von dieser Änderung bislang unberührt.
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